Zweige, Kräuter, Blüten, Obst und Co. lieben sie alle. Florina und Findus empfehlen heute einen Teil von ihrem Wunsch-Menü für Pferde aus dem Jahr 2017.
Wer entscheidet, was Dein Pferd zusätzlich zum Koppelgang und Heu an Nährstoffen bekommt? Hat es die Möglichkeit frei zu wählen? Oder ist es auf die Fertigmischungen angewiesen, die es mit dem Futter bekommt?
Aussagen wie „Heute weiss die Wissenschaft genau, was Pferde brauchen. Unser Fertig- bzw. Zusatzfutter enthält die perfekte Mischung für Problem XY.“ finde ich bedenklich, weil jede Individualität fehlt. Pferde leben seit Millionen Jahren ohne Müsli & Co. Dass heute viele unter Fehlernährung und an Mangelerscheinungen leiden, liegt das wohl eher an den vom Menschen eingeschränkten Möglichkeiten der freien Futterwahl als an dem Unvermögen der Pferde, die jeweils passenden Pflanzen auszuwählen.
Aus unserem Pferde-Leben geplaudert
Durch meinen Umzug auf unsere schöne Insel Ærø wohnten meine Pferde die ersten 2,5 Jahre in zwei getrennten Gruppen in einem Pensionsstall. Seit einigen Jahren bin ich innerhalb dieses Stalles in den WIntermonaten Selbstversorgerin meiner Mini-Herde und deutlich freier in der Gestaltung von Haltung und Fütterung. Nach und nach gelingt es mir immer besser, ihre individuellen Ansprüche und Wünsche umzusetzen, was anfangs nicht gerne gesehen wurde und zu einigem Hohn und Spott führte. Mein erster großer Schritt war die Umstellung von Wrap, das meiner Meinung nach für Pferde absolut ungeeignet ist, auf gutes, artenreiches Bio-Heu.
Wie artenreich ist die Koppel Deines Pferdes?
Ihre Weidefläche am Winterstall ist mit verschiedenen Gräsern, Klee und Löwenzahn recht artenarm. Deshalb habe ich im Februar 2017 damit begonnen, ihnen vieles von den vielfältigen, für sie aber unerreichbaren Angeboten der Natur an den (Offen)stall zu bringen.
Während der letzten Fröste hatte ich ein waches Auge darauf, welche Bäume Garten- und Waldbesitzer gefällt bzw. geschnitten haben und brachte Florina und Findus Stämme und Äste von Birken und verschiedenen Weiden. Beide mochten die Weiden sehr und Findus war total verrückt auf die Birkenrinde. Als die Kommune im Frühjahr einige Weiden kräftig zurück geschnitten hat, lebten sie im Schlaraffenland, denn es war eine Aktion über mehrere Wochen. Zum Ende hin ebbte das Interesse auch merklich ab, der Bedarf war offensichtlich erst einmal gedeckt.
Auch jetzt, Mitte September, knabbern sie sehr gerne daran.
Garten- und Wildkräuter für Pferde
Im Frühjahr wuchsen in meinem Garten Minze und Melisse und sie mochten klein geschnittene Blätter im Futter sehr gerne. Es folgten Thymian, Rosmarin und Majoran und es war spannend zu sehen, wer wann mit welchem Zusatzangebot die Schüssel besonders gut ausleckte – oder eben auch nicht. Daran habe ich mich dann bei den kommenden Gaben orientiert.
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Dann wünschte sich Florina in einer Kommunikation mit Tina Hillebrand von „Tiere anders behandeln“ Weißdorn. Seitdem habe ich immer eine Gartenschere im Kofferraum, mit der ich fast täglich die jungen Triebe geschnitten habe. Die haben noch keine bzw. sehr weiche Dornen. Findus nahm immer mal wieder zwei, drei von ihnen, Florina immer so um die zehn, manchmal auch mehr. Besonders bei „Kreislauf-Wetter“ war es sehr beliebt.
Über die frischen Zweige der Heckenrose / Hundsrose sind sie ebenfalls trotz der Dornen begeistert hergefallen.
Brennessel wurden nicht genommen, auch nicht nach dem Welken. Das erstaunte mich, denn meine früheren Pferde mochten sie sehr gerne. Florina und Findus lehnten dankend ab, schubsten sie in die Ecken bzw. nutzten sie als Toilettenunterlage.
Den Ulmen hier auf der Insel geht es wesentlich besser als in weiten Teilen Deutschlands und ich schneide von ihnen und einigen Buchen die Triebe, bevor sie von der Kommune ausgeputzt werden.
Kulinarische Spaziergänge mit Pferden
Als im Spätsommer die Kirschpflaumen, auch wilde Mirabellen genannt reif wurden, war Findus auf unseren Spaziergängen kaum zu halten. Da er die Steine alle mit gegessen hat, habe ich ihn doch nicht so viel essen lassen wie er wollte. (Nachtrag im Juli 2019: Inzwischen hat er das dritte Jahr in Folge freien Zugang zu ihnen und ich sehe ihn immer mal wieder 2 oder 3 Zweige abbeissen. Er kaut und schluckt alles: Zweig, Blätter, mehr oder weniger reife Kirschpflaumen – so, wie er es braucht.)
Jetzt im Herbst sind die Früchte des Weißdorns reif und Florina liebt sie sehr. Findus isst gerne mal mit, geht aber lieber mit mir in die Brombeeren. Ich esse die Früchte, er Früchte und Blätter. 😉
Die frischen Blätter und Früchte der Hundsrose lieben beide!
Und im Spätsommer, auf unserer neuen Sommerkoppel, hat Florina dann doch die Brennnessel für sich entdeckt: Sie knipste gezielt alle Spitzen mit den Samen ab, den Rest ließ sie stehen. 😉
Viele Pferde-Menschen berichten, dass ihre Pferde gerne die Rinde von Obstbäumen knabbern. Da konnte ich bisher nur kleinere Zweige und Blätter anbieten und die sind durchgefallen. Florina ist auf einer 3 ha großen Koppel mit vielen Apfelbäumen aufgewachsen und ich habe weder sie noch andere Pferde meiner 4-köpfigen Herde jemals an der Rinde nagen sehen.
Dieses Jahr hat mich absolut darin bestätigt, meine Suche nach einer ausreichend großen Koppel mit natürlichen Geländeverhältnissen zu intensivieren, um dort verschiedene Sträucher und Bäume zur Selbstversorgung zu pflanzen.
Ein Dialog zwischen Mensch und Pferd lohnt sich immer!
Noch war das von mir von Februar – September organisierte Angebot nicht so vielfältig und reichhaltig, wie ich es mir für Florina und Findus wünsche. Aber ich habe viel über meine Pferde und ihre wechselnden Vorlieben und Bedürfnisse gelernt und freue mich auf die kommenden Monate, in denen ich diese Erkenntnisse dieser „Testphase“ weiter umsetzen bzw. die weitere Umsetzung vorbereiten werde.
Schreibt gerne in die Kommentare, welche „Bestellungen“ Ihr für eure Pferde ausführt oder teilt den Artikel mit euren Freunden. Frei nach dem Motto: Nicht nur Glück, auch Wissen verdoppelt sich, wenn man es teilt.
„wird schon nicht daran sterben“
ist eine der blödsinnigsten aussagen, die ich kenne. genau gelesen impliziert sie sogar, daß im ausnahmefall das sterben in kauf genommen wird!
was ist das für eine denkweise?!
ich füttere mein pferd, damit es lebt, angenehm und ohne wissentliche Gefährdung! ich erwarte dies auch von den pferdehaltern meiner umgebung. da mag man unterschiedliche wege gehen, aber dieses „wird schon“ ist wie ein drahtseilakt an morschen pfosten: grenzenlos dumm und vollkommen inakzeptabel.
ebenso, wie fremde hände an meiner pferde futtertopf.
Hallo Hans-Peter,
ja, die von Tina zitierte Antwort habe ich leider auch schon einmal gehört… Da kam es eher in einer Schock-Reaktion und war wohl nach späterem nachdenken nicht mehr so gemeint. Trotzdem ist diese „Wird-Schon-Gut-Gehen-Denkweise“ viel zu verbreitet und dein Vergleich mit dem Drahtseilakt an morschen Pfosten gefällt mir gut.
Hallo Mona.
Ich habe das Glück, dass unser Hof in einem Naturschutzgebiet liegt und die Vegetation dort sehr vielseitig ist. Ich nütze oft die Zeit mit meinem Pferd und gebe ihr die Gelegenheit sich das Futter zu suchen das sie im Moment braucht und mag, da kann es durchaus sein, dass wir einige Stunden miteinander verbringen.
Anstatt im Sattel zu sitzen, genieße ich die Zeit mit Ihr zu Fuss im Wald und Wiesen und lasse sie einfach nur Pferd sein und sich ihr Futter aussuchen. Habe auch das Gefühl, dass das ihre Sinne stärkt. Was meine Stute dort alles findet und frisst ist interessant zu beobachten, verschiedenen Rinden, Sträucher, Beeren und Kräuter und Gräser. Auch schleckt sie manchmal an bestimmten Böden oder Gesteinen. Je nach Jahreszeit bedient sie sich an ganz unterschiedlichen Pflanzen. Ich kann sagen, dass mein Pferd ein gutes Immunsystem hat und sie eine sehr ausgeglichene, leistungsbereite Stute ist.
Liebe Petra,
in einem Naturschutzgebiet zu leben ist natürlich ein riesiges Geschenk! Keine gedüngten Wiesen oder gespritzten Felder… ein Traum!
Das Lecken an Böden und Gestein kenne ich auch gut, noch aus unserer Zeit im Spessart. Da war ich auch viel mit Florina im Wald unterwegs, so wie Du es beschreibst. Kein Wunder, dass Du sie als ausgeglichenes Pferd mit starken Sinnen beschreibst. 🙂
Ich wünsche euch beiden weiterhin eine wunder-volle Zeit!
Ich erlebe es immer wieder als Segen, wenn der Standpunkt und der Bedarf des konkreten Pferdes in so ein existentielles Thema wie Ernährung mit einbezogen wird!
Auch meine eigene Stute habe ich ganz klar in diese Entscheidungen mit einbezogen. Vieles was mir dann innerhalb unserer Haltergemeinschaft wichtig wurde, stieß durchaus auf Widerstand. Doch es gab immer eine Lösung, wie ich meiner Stute das zukommen lassen konnte was sie aktuell brauchte. Eine größere Herausforderung war es zu verhindern, dass ihr gegen meine klare Bitte auch Dinge gegeben wurden, die ihr wirklich schadeten.
Auch dafür haben wir eine Lösung gefunden!
Denn was für das eine Pferd passt, oder schlichtweg kompensiert werden kann, ist für das andere Pferd vielleicht das Zünglein an der Waage. Der eine Tropfen, der das Fass dann überlaufen lässt und in manchen Fällen eine liebevoll wieder aufgebaute Darmflora erneut in eine Dysbalance stützt.
Die Bemerkung einer Miteinstellerin „Sie wird schon nicht daran sterben! Meinen macht das gar nix!“ war für mich eine gute Lektion in Sachen Klarheit.
Jedes Pferd ist anders!
Die meisten Lebewesen entwickeln eine sehr hohe Kompetenz darin unpassende Dinge zu kompensieren.
Das ist EINE Möglichkeit!
Wenn ich jedoch bereits weiß, was meinem Pferd zum Vorteil und was ihm zum Nachteil ist, dann kann ich diese Informationen doch auch einfach nutzen!
Wenn ich bei der Erfüllung der Grundbedürfnisse eines Lebewesens schon aktiv am Bedarf vorbei agiere, wo sollen dann noch Ressourcen frei bleiben, wenn es mal wirklich an die Kompensationsreserven geht? Und wenn es dem Pferd zum Vorteil ist etwas weg zu lassen, was sagt das dann über den Menschen aus, der darauf besteht es dennoch zu geben?
Die Art und Weise wie wir mit den Bedürfnissen unserer Mitgeschöpfe umgehen, hat immer mit der Achtsamkeit uns selbst gegenüber zu tun. Je mehr wir im eigenen Leben kompensieren, desto höher ist die Erwartung, dass unsere Mitgeschöpfe das auch tun. Wenn es aber darum geht in der eigenen Kraft zu bleiben und damit auch effektiver agieren zu könne, dann ist es wichtig uns die Grundbedürfnisse wieder bewusst zu machen. Dann können wir Informationen liebevoll und lösungsorientiert nutzen.
In diesem Sinne heiter weiter!
Tina von Tiere anders behandeln
Liebe Tina,
Danke für deine Anregungen, die ja der Ursprung dieses Experimentes waren und jetzt die „Fortführung“ des Artikels. 🙂
Ja, ich beobachte das auch ständig: Wer auf sich selber nicht achtet, achtet auch nicht auf andere, wer viel „weg steckt“ erwartet das auch von anderen, wer viel kompensiert setzt häufig voraus, dass sein Gegenüber das ebenfalls tut.
Herzliche Grüße, Mona